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Letztes Update: Sonntag, 29.12.2002

Folge 8: Fahrtechnik: Das Bremsen

Im Normalfall besitzen wir beim Kart nur eine Bremse, die auf die starre Hinterachse wirkt. Verwöhnt von der Vierradbremse des Autos wird der neue Kartfahrer über die Einfachheit der Bremsanlage überrascht sein, zumal er diese auch noch mit seinem linken "Kupplungsbein" bedienen muss. Obwohl für die Scheibenbremse des Karts kaum mehr Kraft gebraucht wird als für die Kupplung des Autos, erfordert diese eine erheblich sensiblere Betätigung.

Beim Auto verteilt sich die Radlast dynamisch beim Bremsen auf die Vorderachse, d.h., mehr als 80 Prozent des Gewichtes lasten vorn. Beim Kart verteilt sich die Radlast deutlich weniger auf die Vorderachse; zum Glück, denn sonst hätten wir noch mehr Probleme beim Verzögern. Hinzu kommt unser stetes Bestreben nach optimaler Bremswirkung, wobei wir uns im Gegensatz zum Autofahrer dauerhaft auf dem schmalen Grat der Haftgrenze entlanghangeln.

All diese Faktoren zusammen machen die negative Beschleunigung im Kart zu einem anspruchsvollen Metier, dessen Stellenwert ganz oben anzusiedeln ist, da zum einen für Kurskorrekturen an der Hinterachse die Haftung fehlt, und andererseits das Heck beim Bremsen auch noch leicht entlastet wird.

Der optimale Bremsvorgang

Im Kartsport ist gutes Verzögern eine Grundvoraussetzung für Schnelligkeit. Das Herantasten an den optimalen Bremspunkt ist reine Übungssache, nur die wenigsten Fahrer haben diese Gabe quasi "im Urin". Die anderen müssen üben, üben, üben. Meist merken sie sich markante Stellen am Streckenrand (natürlich keine beweglichen Markierungen) und tasten sich mit deren Hilfe mehr und mehr dem idealen Bremspunkt an.

Doch wie verzögert man optimal? Michael Schumacher hat das einmal so beschrieben: "Der optimale Bremsvorgang ist im Prinzip der gelungene Versuch, eine Art ABS-Bremsung nachzuahmen. Das heißt, so zu bremsen, dass das Rad weder blockiert noch frei rollt. Es soll sich nur möglichst langsam mitdrehen. Ein Fehler, der immer wieder gemacht wird (vor allem von Autofahrern): Sie bremsen viel zu früh und nicht hart genug. Im Straßenverkehr ist das ja sinnvoll, möglichst früh und gleichmäßig so abzubremsen, dass man die kommende Kurve sicher durchfahren kann. Im Motorsport ist das jedoch völlig anders. Da versucht man, bis zur letzten Zehntelsekunde auf dem Gas zu bleiben. Wenn man aber schon auf den letzten Drücker bremst, dann logischerweise so hart wie möglich. Nur so erreicht man den kürzesten Bremsweg. Jeder, der das beherrscht, kann - so paradox das klingt - beim Bremsen unheimlich viel Zeit gutmachen. Zudem hat er beim Zweikampf klar die Nase vorn."

Wichtig ist, dass der Bremsvorgang vor dem Einlenken in die Kurve abgeschlossen ist. Bremst man, während man mit dem Lenkrad in die Kurve einlenkt, folgt der unvermeidbare Dreher. Auch das leichte Bremsen während man sich bereits in der Kurve befindet, sollte nur angewandt werden, wenn man wirklich in der Kurve zu schnell ist - und dann nicht, um primär Geschwindigkeit abzubauen, sondern mehr um ein ausbrechendes Kart wieder zu stabilisieren.

Bremsen auf Indoor-Bahnen

Beim Indoor-Kartfahren auf beschleunigungsträgen Leihkarts verhält sich die Sache mit dem Bremsen jedoch ein wenig anders. Bremst man hier zu weit herunter und hat das Kart fast zum Stillstand gebracht, verliert man beim Herausbeschleunigen aus der Kurve enorm viel Zeit, weil die PS-Leistung fehlt. Auf Indoor-Bahnen ist es also unter Umständen cleverer, nicht ganz so spät zu bremsen und statt dessen das Kart zügig und stabil durch die Kurve zu bringen, um die Geschwindigkeit auf die nächste Gerade mitzunehmen. Eines aber bleibt: Auch wenn man früher bremst, sollte der Bremsvorgan so kurz wie möglich, sprich: so hart wie möglich erfolgen. Früher bremsen oder später bremsen ist eine Gratwanderung, die man mit der Zeit erlernt. Ein Erfolgsrezept dafür gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die Streckenbeläge, die Karts und die Streckenführungen.

Bremsen in der Qualifikation und im Rennen

Ein großer Unterschied besteht in den Umständen, unter denen man seine Bremspunkte auslotet. Ist man auf einer schnellen Runde unterwegs, um sich beispielsweise für ein Rennen zu qualifizieren, setzt man seine Bremspunkte eventuell völlig anders als später im Rennen. Hat man nämlich in der Qualifikation den Rücken frei und kann auch einmal früher bremsen, um eine Kurve zügig zu durchfahren, bremst man im Rennen in der Regel später. Früheres Bremsen bietet dem nachfolgenden Angreifer eine optimale Überholmöglichkeit und er bremst sich innen in die Kurve hinein. Unter diesen Umständen ist es auch elementar wichtig, sich von der Qualifikation auf das Rennen umzustellen.

Anstellen

Eine besondere Art des Bremsens ist das sogenannte "Anstellen". Ein Meister dieser Kunst heißt Michael Schumacher, der diese Spielart besonders exzellent beherrscht. Neben der Bremswirkung der Hinterachse wird hierbei, durch vorheriges Quer-, oder eben Anstellen, eine optimale Bremswirkung dadurch erreicht, dass durch den Drift über alle 4 Räder, also schräg zur eigentlichen Fahrtrichtung, zusätzlich Geschwindigkeit abgebaut wird. Diese Bremsmethode wird hauptsächlich bei engen Spitzkehren angewandt, wo ein zügiges Durchfahren der Kurve kaum möglich erscheint. In der nächsten Folge werden wir auf diese Art des Bremsens noch näher eingehen (boah, was für ein Cliffhanger...!).

Bremsen bei glatter Fahrbahn

Bei Regenfahrten oder glatter Fahrbahn bietet sich folgender Trick gegen den Drang zum Untersteuern an: Beim Einlenken in die Kurve wird mäßig gebremst, wobei die Last auf die Vorderachse gelegt wird. Bei vielen Karts führt das zu einer erheblichen Verbesserung der Lenkbarkeit. Wohlgemerkt, dieser Vorgang wird nur kurz und leicht zum Einlenken benutzt. Gewissermaßen wird die ohnehin meist notwendige Bremsung vor der Kurve einfach bis in diese hinein verlagert. Im weiteren Verlauf der Kurve bleibt die Bremse gelöst. Ein ruckartiges Lösen der Bremse vor der Kurve ist bei glatter Fahrbahn ohnehin nicht angesagt, da der entstehende Lastwechsel nur Unruhe ins Kart bringt, die mit großen Lenkausschlägen wieder korrigiert werden muss.

© Michael Gärtner

nächste Folge: Fahrtechnik: Das Anstellen

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