Im Normalfall besitzen wir beim Kart nur eine Bremse, die auf die starre
Hinterachse wirkt. Verwöhnt von der Vierradbremse des Autos wird der neue
Kartfahrer über die Einfachheit der Bremsanlage überrascht sein, zumal
er diese auch noch mit seinem linken "Kupplungsbein" bedienen muss. Obwohl
für die Scheibenbremse des Karts kaum mehr Kraft gebraucht wird als für
die Kupplung des Autos, erfordert diese eine erheblich sensiblere Betätigung.
Beim Auto verteilt sich die Radlast dynamisch beim Bremsen auf die Vorderachse,
d.h., mehr als 80 Prozent des Gewichtes lasten vorn. Beim Kart verteilt
sich die Radlast deutlich weniger auf die Vorderachse; zum Glück, denn
sonst hätten wir noch mehr Probleme beim Verzögern. Hinzu kommt unser
stetes Bestreben nach optimaler Bremswirkung, wobei wir uns im Gegensatz
zum Autofahrer dauerhaft auf dem schmalen Grat der Haftgrenze entlanghangeln.
All diese Faktoren zusammen machen die negative Beschleunigung im Kart
zu einem anspruchsvollen Metier, dessen Stellenwert ganz oben anzusiedeln
ist, da zum einen für Kurskorrekturen an der Hinterachse die Haftung fehlt,
und andererseits das Heck beim Bremsen auch noch leicht entlastet wird.
Der optimale Bremsvorgang
Im Kartsport ist gutes Verzögern eine Grundvoraussetzung für Schnelligkeit.
Das Herantasten an den optimalen Bremspunkt ist reine Übungssache, nur
die wenigsten Fahrer haben diese Gabe quasi "im Urin". Die anderen müssen
üben, üben, üben. Meist merken sie sich markante Stellen am Streckenrand
(natürlich keine beweglichen Markierungen) und tasten sich mit deren Hilfe
mehr und mehr dem idealen Bremspunkt an.
Doch wie verzögert man optimal? Michael Schumacher hat das einmal so beschrieben:
"Der optimale Bremsvorgang ist im Prinzip der gelungene Versuch,
eine Art ABS-Bremsung nachzuahmen. Das heißt, so zu bremsen, dass das
Rad weder blockiert noch frei rollt. Es soll sich nur möglichst langsam
mitdrehen. Ein Fehler, der immer wieder gemacht wird (vor allem von Autofahrern):
Sie bremsen viel zu früh und nicht hart genug. Im Straßenverkehr ist das
ja sinnvoll, möglichst früh und gleichmäßig so abzubremsen, dass man die
kommende Kurve sicher durchfahren kann. Im Motorsport ist das jedoch völlig
anders. Da versucht man, bis zur letzten Zehntelsekunde auf dem Gas zu
bleiben. Wenn man aber schon auf den letzten Drücker bremst, dann logischerweise
so hart wie möglich. Nur so erreicht man den kürzesten Bremsweg. Jeder,
der das beherrscht, kann - so paradox das klingt - beim Bremsen unheimlich
viel Zeit gutmachen. Zudem hat er beim Zweikampf klar die Nase vorn."
Wichtig ist, dass der Bremsvorgang vor dem Einlenken in die Kurve abgeschlossen
ist. Bremst man, während man mit dem Lenkrad in die Kurve einlenkt,
folgt der unvermeidbare Dreher. Auch das leichte Bremsen während
man sich bereits in der Kurve befindet, sollte nur angewandt werden, wenn
man wirklich in der Kurve zu schnell ist - und dann nicht, um primär
Geschwindigkeit abzubauen, sondern mehr um ein ausbrechendes Kart wieder
zu stabilisieren.
Bremsen auf Indoor-Bahnen
Beim Indoor-Kartfahren auf beschleunigungsträgen Leihkarts verhält sich
die Sache mit dem Bremsen jedoch ein wenig anders. Bremst man hier zu
weit herunter und hat das Kart fast zum Stillstand gebracht, verliert
man beim Herausbeschleunigen aus der Kurve enorm viel Zeit, weil die PS-Leistung
fehlt. Auf Indoor-Bahnen ist es also unter Umständen cleverer, nicht ganz
so spät zu bremsen und statt dessen das Kart zügig und stabil durch die
Kurve zu bringen, um die Geschwindigkeit auf die nächste Gerade mitzunehmen.
Eines aber bleibt: Auch wenn man früher bremst, sollte der Bremsvorgan
so kurz wie möglich, sprich: so hart wie möglich erfolgen. Früher
bremsen oder später bremsen ist eine Gratwanderung, die man mit der Zeit
erlernt. Ein Erfolgsrezept dafür gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind
die Streckenbeläge, die Karts und die Streckenführungen.
Bremsen in der Qualifikation und im Rennen
Ein großer Unterschied besteht in den Umständen, unter denen man seine
Bremspunkte auslotet. Ist man auf einer schnellen Runde unterwegs, um
sich beispielsweise für ein Rennen zu qualifizieren, setzt man seine Bremspunkte
eventuell völlig anders als später im Rennen. Hat man nämlich in der Qualifikation
den Rücken frei und kann auch einmal früher bremsen, um eine Kurve zügig
zu durchfahren, bremst man im Rennen in der Regel später. Früheres Bremsen
bietet dem nachfolgenden Angreifer eine optimale Überholmöglichkeit und
er bremst sich innen in die Kurve hinein. Unter diesen Umständen ist es
auch elementar wichtig, sich von der Qualifikation auf das Rennen umzustellen.
Anstellen
Eine besondere Art des Bremsens ist das sogenannte "Anstellen". Ein Meister
dieser Kunst heißt Michael Schumacher, der diese Spielart besonders exzellent
beherrscht. Neben der Bremswirkung der Hinterachse wird hierbei, durch
vorheriges Quer-, oder eben Anstellen, eine optimale Bremswirkung dadurch
erreicht, dass durch den Drift über alle 4 Räder, also schräg zur eigentlichen
Fahrtrichtung, zusätzlich Geschwindigkeit abgebaut wird. Diese Bremsmethode
wird hauptsächlich bei engen Spitzkehren angewandt, wo ein zügiges
Durchfahren der Kurve kaum möglich erscheint. In der nächsten
Folge werden wir auf diese Art des Bremsens noch näher eingehen (boah,
was für ein Cliffhanger...!).
Bremsen bei glatter Fahrbahn
Bei Regenfahrten oder glatter Fahrbahn bietet sich folgender Trick gegen
den Drang zum Untersteuern an: Beim Einlenken in die Kurve wird mäßig
gebremst, wobei die Last auf die Vorderachse gelegt wird. Bei vielen Karts
führt das zu einer erheblichen Verbesserung der Lenkbarkeit. Wohlgemerkt,
dieser Vorgang wird nur kurz und leicht zum Einlenken benutzt. Gewissermaßen
wird die ohnehin meist notwendige Bremsung vor der Kurve einfach bis in
diese hinein verlagert. Im weiteren Verlauf der Kurve bleibt die Bremse
gelöst. Ein ruckartiges Lösen der Bremse vor der Kurve ist bei glatter
Fahrbahn ohnehin nicht angesagt, da der entstehende Lastwechsel nur Unruhe
ins Kart bringt, die mit großen Lenkausschlägen wieder korrigiert werden
muss.
© Michael Gärtner
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